Weltweit stammen 57 Prozent der Nahrungsproteine – und damit der Hauptanteil – aus Pflanzen, gefolgt von tierischen Quellen. Diese machen insgesamt 43 Prozent aus und kommen zu 18 Prozent von Fleisch, zehn Prozent von Milchprodukten, sechs Prozent aus Schalentieren und die verbleibenden neun Prozent aus weiteren tierischen Produkten. In Europa ist das anders: Hier kommen die meisten Nahrungsproteine aus tierischen Erzeugnissen, nämlich zwischen 55 bis 60 Prozent. Rund 35 Prozent stammen aus Pflanzen. Dieses Proteinverhältnis hat erhebliche Umweltauswirkungen, denn: Viehwirtschaft ist mit einem erheblichen Emissionsausstoß verbunden. Emissionen, die sich einsparen lassen, wenn statt tierischer mehr alternative Proteinquellen als Basis für Nahrungsmittel genutzt würden – und zwar nicht nur in Europa, sondern weltweit. 2020 bestanden nur etwa zwei Prozent der konsumierten Proteine aus alternativen Erzeugnissen. Zwar ist im Vergleich dazu der exakte Beitrag von Algen, Insekten, mikrobiell fermentierten Produkten und kultiviertem Fleisch nicht bekannt, jedoch wird er gerade einmal auf einen geringen Bruchteil geschätzt. Daher stellt sich die Frage, wie dieses Potenzial in Europa weiter ausgebaut werden kann.
Wie sieht unsere Ernährung in der Zukunft aus? Wie lässt sich die stetig wachsende Weltbevölkerung nachhaltig und mit wertvollen Inhaltsstoffen versorgen? In einer vom Europäischem Parlament veranlassten Studie prüften Forscherinnen und Forscher nun Algen, Insekten, fermentativ hergestellte Proteine und kultiviertes Fleisch auf ihre Nachhaltigkeit, beleuchteten den damit verbundenen Energiebedarf und bewerteten ihr wirtschaftliches und soziales Potenzial. Die Ergebnisse haben wir für Sie zusammengefasst.
Disclaimer: wissenschaftliche Grundlage
Die Informationen in diesem Artikel stammen aus der Studie „Alternative protein sources for food and feed“, die das Europäische Parlament in Auftrag gegeben hat. Die Studie vom April 2024 legt den aktuellen Stand der Erforschung alternativer Proteine dar und untersucht die Zukunftsaussichten, die Algen, Insekten, mikrobielle Fermentation und kultiviertes Fleisch als künftige Proteinquelle haben. Verfasst wurde diese von Elta Smith, Julien Etienne und Francesco Montanari. Ihre Forschungen basieren auf Literatur, bei der sie aktuelle und gut fundierte Schätzungen ausgewählt und anhand dieser Prognosen aufgestellt haben.
Hier finden Sie die ausführliche Studie (auf Englisch).
Alternative Proteinquellen auf dem Prüfstand
Bis Essen auf den Teller kommt, legt es einen energieintensiven Weg zurück. Das gilt nicht nur für Fleisch, sondern stellt auch bei alternativen Proteinen eine Herausforderung dar. Und dabei muss man gleich die Illusion nehmen, „alternativ“ bedeute immer auch gleich „nachhaltig“: In einigen Fällen kann der Energieverbrauch hier sogar noch höher liegen als bei herkömmlichen Quellen, da sie aktuell energieintensivere Produktionsmethoden benötigen und die Verarbeitungsschritte einen höheren Verbrauch haben können. Dieser hängt beispielsweise von Produktionsmethode, lokalen Bedingungen oder auch dem Einsatz energiesparender Technologien ab. Und genau bei Letzterem kommt nun der Krones Konzern ins Bild: Der Bioreaktor von Steinecker beispielsweise verbessert schon jetzt die Energieeffizienz bei der Biomasse-Fermentation im Vergleich zu Rührkessel-Reaktoren. Denn je nach Prozess kann statt eines Rührwerks eine Umwälzeinheit eingesetzt werden, die vergleichsweise weniger Energie verbraucht. Weiterhin können durch ganzheitliche Betrachtung der Anlage und dem Einsatz von innovativen Technologien Energie- und Wärmeströme besser genutzt und somit Primär-Rohstoffe eingespart werden.
Neben dem Energieverbrauch spielen bei der nachhaltigen Bewertung alternativer Proteine noch weitere Faktoren eine Rolle – so beispielsweise die vorgelagerte Lieferkette. Blicken wir zuerst auf die konventionelle Viehwirtschaft: Um die Tiere in der Viehhaltung zu ernähren, braucht es große Mengen an Futtermittel – und das muss natürlich angebaut werden. Dafür werden viele Wälder, insbesondere in Südamerika, gerodet und es entsteht eine monokulturell zentrierte Landwirtschaft. Aber auch alternative Proteine kommen nicht ohne ergänzende Rohstoffe aus: So braucht man für die Züchtung von Insekten oder kultiviertem Fleisch oder die mikrobielle Fermentation ebenfalls zusätzliche Rohstoffe für der Nährstofflösung. Und um diese herzustellen, wird wiederum landwirtschaftliche Fläche benötigt. Dennoch: Im Vergleich zu den konventionellen Proteinen fällt die Landnutzung für den Herstellprozess alternativer Proteine oft geringer aus. Auf Insekten basierende Lebensmittel könnten beispielsweise bis zu 92 Prozent weniger Landfläche benötigen als Rind- oder Geflügelfleisch.
Überträgt man diese Erkenntnisse auf den Gesamtausstoß von Treibhausgasen, dann lässt sich festhalten, dass sich diese Emissionen mit der Umstellung der Ernährung verringern lassen: Einige Schätzungen legen nahe, dass die Produktion von kultiviertem Fleisch, unter Berücksichtigung der relevanten Emissionen, einen bedeutend geringeren Treibhausgasfußabdruck als Rindfleisch haben könnte – um mehr als 75 Prozent.
Insekten-Snack? – Ja, bitte!
Neben ihrem Potenzial Ressourcen zu schonen ist ein oft erwähnter Vorteil von alternativen Proteinquellen auch deren gutes ernährungsphysiologisches Profil. Sie klingen durch ihren hohen Nährstoffgehalt ja nach einer gesunden Möglichkeit für die zukünftige Ernährung. Doch trotz ihres hohen Proteins- oder Vitamingehalts scheinen gerade im europäischen Kulturkreis viele Menschen Schwierigkeiten zu haben, Insekten zu verzehren, wie ein Blick auf die aktuellen Diskussionen um die Zulassung von Würmern, Grillen oder Heuschrecken als Lebensmittel zeigt. Ein Blick in den asiatischen Raum zeigt jedoch, dass Insekten dort ein traditioneller Bestandteil der Esskultur sind. Es ist also eher eine Frage der Gewohnheit, ob Insekten als Proteinquelle akzeptiert werden oder eben nicht.
Eine alternative Proteinquelle, die hingegen schon länger auch in Europa auf dem Speiseplan steht, sind Algen, die beispielsweise als Nori-Blätter bei der Sushi-Zubereitung verwendet werden. Auch Mikroalgen wie Spirulina sind mittlerweile verbreitet – etwa als Nahrungsergänzungsmittel in grünen Smoothies. Sie weisen einen hohen Kalziumgehalt auf und könnten so perspektivisch auch als natürliche Kalziumquelle in Milchdrinks genutzt werden. Und auch die aus Pilzen gewonnenen, fermentativ erzeugten Mykoproteine haben viele Vorteile: Sie sind reich an Ballaststoffen und Eiweiß und fördern die Darmflora.
Es wird deutlich: Alternative Proteine bieten einige Chancen für die zukünftige Ernährung – aber wie lassen sie sich überhaupt in Lebensmittel integrieren? Genau mit dieser Frage beschäftigen sich die Expertinnen und Experten in den insgesamt drei Produktentwicklungszentren der Krones Gruppe. Dort können verschiedene Rezepturen im kleinen Rahmen getestet werden, um herauszufinden, wie sich das Produkt in der Anlage verhält und sich auf den Geschmack auswirkt.
Forschung und Entwicklung im Fokus
Die Stärken der alternativen Proteine bleiben nicht unbemerkt. Deshalb haben die Investitionen in Forschung und Entwicklung für alternative Proteinquellen in der EU bereits jetzt zugenommen. Genutzt werden diese neben Forschungszwecken auch für die Kommerzialisierung in der zellulären Landwirtschaft – wozu auch die mikrobielle Fermentation und kultiviertes Fleisch zählen. Ein weiteres Vorhaben der Europäischen Kommission ist die EU-Algeninitiative, die darauf abzielt, die nachhaltige Produktion und das Verwenden von Algen in Europa zu steigern. Die Förderung der europäischen Algenindustrie soll neue Arbeitsplätze schaffen, die marine Artenvielfalt unterstützen und eine nachhaltige Einkommensquelle für Küstenbewohnende bieten.
Auch Krones arbeitet an mehreren Projekten zur Verarbeitung alternativer Proteine:
Mit seinen Technologien und Lösungen spielt Krones eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Implementierung dieser innovativen Technologien und trägt somit aktiv zur Lösung globaler Ernährungsprobleme bei.
- Präzisions- und Biomasse-Fermentation: Krones nutzt seine Expertise aus der Brautechnik, um innovative Lösungen für die Produktion alternativer Proteine zu entwickeln. Ein Beispiel ist die Präzisions- und Biomasse-Fermentation im Bioreaktor von Steinecker, die es ermöglicht, hochwertige Proteine aus Mikroalgen, Pilzen oder anderen Mikroorganismen zu gewinnen.
- Kooperationen: Krones hat eine Kooperation mit dem Schweizer Start-up Food Brewer geschlossen, um Lebensmittel und Lebensmittelzutaten auf Zellkultur-Basis durch Fermentation herzustellen.
- Skalierung und Effizienz: Krones unterstützt Lebensmittelhersteller bei der Skalierung der Produktionsleistung und der wirtschaftlichen Konzeptionierung der Gesamtanlage.
Wenngleich die Studie rein die Situation in der EU beleuchtet, steht fest: Beim Thema Proteinerzeugung und -verarbeitung steht die gesamte Welt vor großen Herausforderungen und Chancen. Die Integration alternativer Proteine wie Algen, Insekten, mikrobiell fermentierter Produkte und kultiviertem Fleisch kann einen wichtigen Beitrag zur Ernährungssicherheit und dem Schonen von Ressourcen leisten. Durch gezielte Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie politische Unterstützung können die oben genannten alternativen Proteinquellen weiterentwickelt und ihre Akzeptanz gesteigert werden. Dies könnte nicht nur zum Erreichen der EU-Ziele für eine nachhaltigere und widerstandsfähigere Proteinversorgung beitragen, sondern auch die globale Ernährungssicherheit stärken.